Whistleblower – Schutz endlich in trockenen Tüchern?

Nach einigem politischen Gezerre hat der Bundesrat am 12. Mai 2023 dem sog. „Hinweisgeberschutzgesetz – HinSchG“ zugestimmt (hier) und damit den Weg frei gemacht für die Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie. Nicht nur angesichts der Vorkommnisse beim RBB (s. dazu näher hier) dürfte der praktische Bedarf für ein solches Gesetz auf der Hand liegen. Nicht nur auf größere Unternehmen dürfte jedoch spätestens jetzt ein erhöhter Umsetzungsdruck zukommen, da das Gesetz voraussichtlich Mitte Juni in Kraft treten wird und nur sehr kurze Umsetzungsfristen vorgesehen sind. Grund genug in Ergänzungen zu den bisherigen Erläuterungen (s. hier, hier und hier) einige gerade für mittelständische Unternehmen wichtige Punkte des kommenden Gesetzes herauszuarbeiten.

Das Gesetzgebungsverfahren

Nach einem langwierigen Gesetzgebungsverfahren (s. zum Verfahren bis 2022 erneut hier) hatte der Bundesrat in einer ersten Abstimmung im Februar 2023 dem bereits vom Bundestag beschlossenen „Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“, so der vollständige Name des HinSchG, noch seine Zustimmung versagt, weil das vorgelegte Gesetz nach Ansicht zumindest der unionsgeführten Länder die EU-Whistleblower-Richtlinie bezüglich des sachlichen Anwendungsbereichs und der Möglichkeit der Abgabe anonymer Hinweise „überschießend“ umsetze (s. näher hier). Die Regierung hat das Gesetzesvorhaben dann pikanter Weise in zwei Entwürfe aufgesplittet, um den Bundesrat umgehen zu können (hier). Nachdem aber auch bei dieser Fassung eine Verweigerung der Zustimmung des Bundesrates nicht ausgeschlossen werden konnte, wurde dieser Entwurf nicht weiter verfolgt und stattdessen der Vermittlungsausschuss angerufen (hier). Dieser hat die nunmehr im Bundesrat verabschiedete Fassung erarbeitet (hier).

Wesentliche Eckpunkte des HinSchG

Nach § 12 HinSchG sind „Beschäftigungsgeber“ (dazu sogleich unten) mit mehr als 249 Mitarbeitern sofort und ab 17. Dezember 2023 auch Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern grundsätzlich zur Einführung eines Hinweisgeberverfahrens (sog. „interne Meldestelle“) verpflichtet, wobei Unternehmen mit einer Mitarbeiteranzahl zwischen 50 und 249 Mitarbeitenden nach § 14 Abs. 2 HinSchG eine „gemeinsame Meldestelle“ betreiben können. Nach § 13 Abs. 3 HinSchG müssen bestimmte Unternehmen (etwa im Finanz- und Versicherungssektor) sogar unabhängig von der Mitarbeiterzahl eine interne Meldestelle einrichten. 

Nach § 3 Abs. 9 HinSchG sind „Beschäftigungsgeber“ grundsätzlich alle privaten und öffentlich-rechtlichen Körperschaften sowie rechts- und nichtrechtsfähige Personengesellschaften soweit bei ihnen mindestens eine Person beschäftigt ist. Damit werden z.B. auch Landesrundfunkanstalten oder Kirchen und Religionsgemeinschaften durch dieses Gesetz erfasst. Nach § 1 HinSchG sollen neben der „hinweisgebenden“ (natürlichen) Person auch solche Personen geschützt werden, die „Gegenstand“ einer Meldung oder Offenlegung sind, sowie sonstige Personen, die von einer Meldung oder Offenlegung „betroffen“ sind. Darüber hinaus sind nach § 34 HinSchG unter bestimmten Umständen auch solche natürliche Personen geschützt, die die hinweisgebende Person bei einer internen oder externen Meldung oder einer Offenlegung im beruflichen Zusammenhang vertraulich unterstützen. Der Kern des Schutzes der Hinweisgeber wird in den §§ 35 bis 37 HinSchG definiert. Demnach können Hinweisgeber nicht zur Verantwortung gezogen werden (§ 35 HinSchG) und gegen sie besteht nach § 36 Abs. 1 HinSchG ein Repressalienverbot, dass durch eine Beweislastumkehr nach § 36 Abs. 2 HinSchG verstärkt wird. Im Falle von gleichwohl gegen Hinweisgeber ausgeübten Repressalien besteht ein Anspruch auf Schadenersatz nach § 37 HinSchG und es besteht nach § 40 HinSchG die Möglichkeit, Bußgelder zu verhängen, wobei die maximale Höhe im Vermittlungsausschuss von Euro 100.00 auf Euro 50.000 reduziert wurde. Umgekehrt sind Hinweisgeber nach § 38 HinSchG zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der aus einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Meldung oder Offenlegung unrichtiger Informationen entstanden ist.

Die Regelung des § 2 HinSchG definiert den sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes, sprich, was unter einem „Hinweis“ zu verstehen ist. Dies ist entweder die Meldung (§ 3 Abs. 4 HinSchG) oder die Offenlegung (§ 3 Abs. 5 HinSchG) von Informationen etwa zu straf- oder bußgeldbewehrten Verstößen (s. näher in der Auflistung). Im Vermittlungsausschuss wurde dann der sachliche Anwendungsbereich des Gesetzes noch soweit verengt, als dass sich die Hinweise auf den Beschäftigungsgeber oder eine andere Stelle, mit der die hinweisgebende Person beruflich im Kontakt stand, beziehen müssen, vgl. § 3 Abs. 3 HinSchG neu). Die Regelung des § 5 HinSchG konstituiert dann einige Ausnahmen zum Anwendungsbereich, so etwa, wenn eine Meldung die nationale Sicherheit Deutschlands, das richterliche Beratungsgeheimnis oder die Pflichten zur Wahrung der Verschwiegenheit bei Anwälten oder Ärzten betrifft. § 6 HinSchG schließlich konkretisiert den Umgang mit Hinweisen, die den Bereich des „Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen“ (GeschGehG, s. dazu bereits hier) betrifft (s. auch hier). Zwar regelt § 5 HinSchG darüber hinaus das Verhältnis des HinSchG zu anderen Regelungen, etwa dem GWG, allerdings dürfte es auch zu gewissen Überschneidungen zu Lieferkettengesetz (LkSchG, s. hier) kommen.

Die § 12 ff. HinSchG regeln die Einzelheiten der Einrichtung und des Betriebes sog. „interner Meldestellen“. Diese können auch von (mit der nötigen Sachkunde versehenen) externen Dritten betrieben werden. Die verpflichteten Beschäftigungsgeber haben sicherzustellen, dass entsprechende Meldungen telefonisch oder schriftlich abgegeben werden können und dann verzugslos der weiteren Bearbeitung zugeführt werden. Interne wie externe Meldestelle sollen nach der Fassung des HinSchG durch den Vermittlungsausschuss „auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten. Es besteht allerdings keine Verpflichtung, die Meldekanäle so zu gestalten, dass sie die Abgabe anonymer Meldungen ermöglichen.“ (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 4 bis 6 / § 27 Abs. 1 Satz 3 bis 6 HinSchG neu).  Nach den §§ 19 ff. HinSchG errichtet und betreibt der Bund beim Bundesamt für Justiz eine Stelle für externe Meldungen (externe Meldestelle des Bundes); die Länder werden verpflichtet, eigene Meldestellen zu errichten. Hinweisgeber haben nach § 7 HinSchG grundsätzlich die Wahlfreiheit, ob sie sich an eine interne oder externe Meldestelle wenden, wobei im Vermittlungsausschuss eine gewisse Bevorzugung interner Meldestellen durch die Einfügung eines weiteren Satzes in § 7 Abs. 1 HinSchG erreicht wurde, wonach Hinweisgeber „in den Fällen, in denen intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und sie keine Repressalien befürchten, die Meldung an eine interne Meldestelle bevorzugen“ sollen.

Fazit: Deutschland kommt mit dem In-Kraft-Treten des HinschG seiner Umsetzungspflicht der entsprechenden EU-Richtlinie reichlich verspätet nach. Schaut man sich die Änderungen durch den Vermittlungsausschuss an, kommt man allerdings nicht umhin sich zu wundern, warum die Umsetzung nun fast eineinhalb Jahre länger gedauert hat – zumal ja die vorherige Bundesregierung schon wesentliche Vorarbeiten geleistet hatte.

Die Verzögerung ist allerdings hoffentlich von den betroffenen Unternehmen dazu genutzt worden, die grundsätzlichen Weichenstellungen zur Einrichtung eines Meldesystems zu stellen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass zwar schon zuvor ein gewisser „Markt“ mit Drittanbietern für die Konzeption, Einrichtung und den Betrieb eines „externen internen“ Meldesystems bestand, dieser nunmehr aber auf Grund des In-Kraft-Tretens des Gesetzes zumindest zeitweise Engpässe aufweisen dürfte. Dazu kommt, dass die Einrichtung von Meldestellen allgemein als mitbestimmungsrelevant eingestuft wird, sprich, eine Einbindung des Betriebsrates erfolgen muss.

Schließlich sollten die Verantwortlichen von „Beschäftigungsgebern“ mit einer Mitarbeiterzahl von unter 50 vor Augen führen, dass sich auch deren Mitarbeiter an externe Meldestellen wenden könnten – was möglicherweise zu unangenehmen Erkenntnisse führen kann. Möglicherweise ist also auch für kleinere Betriebe die Inanspruchnahme eines Dienstleisters als interne Meldestelle von Vorteil.

Erst in einigen Jahren werden sich etwaige positive Folgen des Gesetzes bewerten lassen – wie auch die potentiellen Ausweichbewegungen der betroffenen Beschäftigungsgeber. Dabei wird man auch genau darauf schauen müssen, ob der Schutz von Whistleblowern durch das HinSchG tatsächlich verbessert – also in „trockene Tücher“ gepackt – wurde. Bereits jetzt lässt sich allerdings sicher abschätzen, dass das Gesetz weiteren Bürokratieaufwand für Unternehmen schaffen wird – zu den schon etablierten Datenschutz-, Geldwäsche- und Menschenrechtsbeauftragten dürfte sich jetzt noch der Meldestellenbeauftragte gesellen. Hoffen wir, dass Aufwand und Ertrag sich nachher verhältnismäßig gegenüber stehen.

Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen (Hinweisgeberschutzgesetz – HinSchG)

Hinweis: Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Posts war das HinSchG noch nicht im Bundesgesetzblatt veröffentlicht; Nach Veröffentlichung wurde der Link zum Gesetzestext ergänzt und die einzelnen oben genannten Normen zur besseren Übersichtlichkeit direkt verlinkt.

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