Nicht nur, dass die Zahl der Regelinsolvenzen im August 2023 laut Destatis um 13,8% im Vorjahresvergleich stieg, die Zahl der Unternehmensinsolvenzen nahm im 1. Halbjahr 2023 sogar um über 20% im Vergleich zum Vorjahr zu. Der gegenüber Destatis etwas schnellere IWH-Insolvenztrend meldet zwar einen leichten Rückgang der Unternehmensinsolvenzen von 2% im August – allerdings nur im Vergleich zum Vormonat. Im Vergleich zum Vorjahresmonat stieg die Zahl der Unternehmensinsolvenzen demnach um 40% (ja, richtig gelesen, um vierzig (!) Prozent).
Wenn der Berater „plötzlich“ warnt…
„Pünktlich“ zur bevorstehenden Wirtschaftskrise (s. nur hier) erweitern die Obergerichte die Haftungsgrenzen von Beratern im allgemeinen und Rechtsanwälten im Besonderen. Nachdem der IX. Zivilsenat mit einem Urteil aus dem Januar 2017 bereits die Haftung von Steuerberatern im Hinblick auf unterlassene Warnungen vor Insolvenzgründen verschärft hatte (s. vertiefend hier), wendet er sich nun den Anwälten und den von Ihnen zu beachtenden Sorgfaltspflichten zu. Kurz danach hat das OLG Bamberg dann in ähnlicher Manier zu den Sorgfaltspflichten eines Sanierungsberaters geurteilt. Die zumeist stringenten Urteile ergänzen sich und sind wegweisend für die Beratungspraxis im Falle von Unternehmenskrisen.
Unternehmensinsolvenzen August 2023 – tatsächlich nur ein „Quartalseffekt“?
Angesichts des von Destatis (+19%, Anträge für Regelinsolvenzen um +23,8%) und IWH (+44%) gemeldeten dritten Anstiegs der Unternehmensinsolvenzen in Folge (jeweils im Vorjahresvergleich, s. hier und hier für die Vormonate) dreut mir, dass nicht nur der VID mit seiner Aussage aus dem Vormonat, dass der „Anstieg der Unternehmensinsolvenzen im Juni: Voraussichtlich nur ein Quartalseffekt“ sei (hier), vielleicht genau so daneben liegt, wie der IWH, der noch im Juni „für die kommenden beiden Monate von stabilen Insolvenzzahlen“ ausging (hier) und ich selber, der ich auch von einer „Atempause“ zumindest über den Sommer ausging (hier).
Die „doppelnützige Treuhand“ – unterschätztes Instrument in der Sanierung?
In der Krise des Unternehmens ist das Vertrauen der finanzierenden Banken in Geschäftsführung und Gesellschafter nicht selten erschüttert. Gleichzeitig gilt eine Insolvenz nach wie vor als potentieller Wertevernichter und ist in der Restrukturierung nicht unbedingt erste Wahl (wenn eine Antragspflicht vermieden werden kann). Darüber hinaus benötigt eine nachhaltige Sanierungen häufig „Fresh Money“ , das aber auch durch eine Restrukturierung nicht per se zu erlangen ist. Die finanzierenden Banken sind zudem häufig nicht zur Re-Finanzierung bereit, wenn bisherige Gesellschafter (ohne ihrerseits neues Geld zu geben) von einer Finanzspritze partizipieren würden. Ein potentieller Investor sieht das ähnlich und möchte sich in der Regel ebenfalls nicht mit den Alt-Gesellschaftern auseinandersetzen. In derartigen Situationen widerstreitender Interessen kann die sog. „doppelnützige Treuhand“ eine Lösung darstellen. Allerdings sind bei ihrem Einsatz einige Besonderheiten zu berücksichtigen, denen der nachfolgende Artikel genau so nachgeht, wie der neusten BGH-Rechtsprechung in diesem Bereich.
EU-Harmonisierungsrichtlinie – ungelegte Eier, aber oho
Während die Bundesregierung sich für diese Legislaturperiode keine insolvenzrechtlichen Ziele gesetzt hat, arbeitet die EU-Kommission unverdrossen an einer EU-weiten Harmonisierung des Insolvenzrechts. Dementsprechend konsequent unterbreitete sie bereits Anfang Dezember 2022 den Vorschlag einer entsprechenden Richtlinie. Seitdem branden die Wellen in Deutschland hoch – könnte die Richtlinie doch so manche deutsche Institution ins Wanken bringen. Man sollte die Praxisrelevanz einer derartigen Regelung nicht unterschätzen, weswegen sich dieser Artikel mit noch ungelegten Eiern befasst.
Unternehmensinsolvenzen im Juli 2023 – bei Rückenwind können auch Truthähne fliegen
Aktuell scheint der Rückenwind allerdings rapide nachzulassen: Während Destatis „13,9 % mehr beantragte Regelinsolvenzen im Juni 2023 als im Juni 2022“ meldet (hier), sekundiert der IWH-Insolvenztrend, dass die „Zahl der Insolvenzen so hoch wie seit sieben Jahren nicht mehr“ sei (hier). Creditreform ergänzt: „Eine höhere prozentuale Zunahme gab es im Vergleichszeitraum zuletzt 2002.“ (hier, bezogen auf das 1. Halbjahr 2023).
Der Gang auf die Insel – auch nicht mehr so attraktiv
Ein englisches Gericht hat im April 2023 den Restructuring Plan für Unternehmen der Adler Group genehmigt (hier und hier, vertieft auch hier), allerdings hat zumindest ein Anleihegläubiger bereits im März 2023 vor dem Landgericht Frankfurt Klage gegen diese Umstrukturierung erhoben (hier). Zwar ist der Ausgang dieses Verfahrens noch offen, allerdings könnte ein Blick auf die sog. „Galapagos“-Entscheidungen von EuGH und BGH Indizien für den Fortgang liefern.
Unternehmensinsolvenzen im Juni 2023 – Atemlos im Herbst?
Während sich die Medien noch mit den – frisch von Destatis (hier) gemeldeten – Zahlen für das erste (rezessive, s. hier) Quartal 2023 beschäftigen („Firmenpleiten steigen in der Rezession um ein Fünftel“ s. nur hier und hier), geht der IWH-Insolvenztrend „für die kommenden beiden Monate von stabilen Insolvenzzahlen“ aus (hier), also einer Stagnation der Zahlen auf nicht mehr ganz so niedrigem Niveau.
Aufsichtsorgane in der Krise des Unternehmens
„In der Krise des Unternehmens
schlägt die Stunde des Aufsichtsrates“
v. Schenck
Zwar ist sich die Fachliteratur einig über den Pflichtenkatalog der Aufsichtsorgane gerade in einer Unternehmenskrise. Dagegen sind obergerichtliche Urteile in diesem Bereich nach wie vor spärlich gesät und zumeist älterer Natur. Angesichts der Skandale der letzten Zeit, wie z.B. Wirecard oder RBB (s. dazu schon hier), die sich derzeit in der juristischen Aufarbeitung befinden, dürfte es allerdings nur eine Frage der Zeit sein, bis sich die Gerichte mit der Verantwortlichkeit von Aufsichtsorganen erneut und vertieft befassen werden. Der nachfolgende Beitrag skizziert deswegen den aktuellen Stand in Theorie und Praxis und leitet aus akutellen Fällen einige Praxishinweise ab.
Unternehmensinsolvenzen im Mai 2023 – Atempause?
Während im Vergleich zu den Vormonaten die Zahl der beantragten Regelinsolvenzverfahren (die auch Unternehmensinsolvenzen beinhalten) im April 2023 nach Angaben von Destatis um 14,1% zurückging, stieg die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im selben Monat um weitere 20,3% (hier, jeweils im Vorjahresvergleich). Die Zahlen des IWH-Insolvenztrend für den April 2023 (bezüglich eröffneter Verfahren hier) deuten ebenfalls auf eine Stagnation der Zahlen in den vergangenen Monaten hin – wobei die Größe der Verfahren, sprich Forderungsvolumen und Mitarbeiterzahl, gegenüber den Vorjahren deutlich zulegte.