Geldwäsche – wir sind ein Volk von Tätern!

Nachdem der deutsche Gesetzgeber auf Grund europäischer Vorgaben erst 2017 das Geldwäschegesetz reformiert hatte, muss er sich jetzt schon wieder sputen, denn die EU hat ihm nur noch bis Jahresende gegeben, erneute Verschärfungen der Regelungen gegen Geldwäsche umzusetzen (s. zur vorherigen grundlegenden Reform von 2017 hier). So hat der Bundestag denn auch schon am 20. November 2020 – coronabedingt relativ unbemerkt von der Öffentlichkeit – in erster Lesung über den „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche“ debattiert (hier). Das Gesetz enthält zumindest einen Paradigmenwechsel, der die Regelung des § 261 StGB zukünftig auch für den Otto-Normal-Verbraucher „interessant“ machen dürfte.

So sieht die insgesamt 24. (!) Neuregelung dieses Paragraphen seit 2001 nämlich den Entfall des sog. „Vortatenkatalogs“ vor – womit der deutsche Gesetzentwurf deutlich über die Vorgaben der EU hinausgeht. Der ehemalige höchste Strafrichter der Republik, Prof. Dr. Thomas Fischer zeigt die rechtsstaatlich höchst bedenklichen Konsequenzen dieser bereits weit fortgeschrittenen gesetzgeberischen Tätigkeit in einem sehr lesenswerten Kommentar auf Spiegel.de auf (hier):

Die beabsichtigte Ausdehnung hat aber nicht nur quantitative Folgen, indem die Anzahl der Verdachtsfälle und der Verfahren extrem anwachsen wird. Sie verlagert vielmehr auch qualitativ den Kampfplatz von der bisher zumindest noch behaupteten Verfolgung schwerwiegender Kriminalität in einen unbegrenzten, uferlosen Bereich der Alltagskriminalität. Das geht nur, indem auch die Überwachungsinstrumentarien wiederum erweitert werden. Vollendet kann das Konzept nur sein, wenn wirklich jede Bewegung von Geld und Vermögen registriert, kontrolliert und geprüft wird. Um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, gibt es recht wirksame Maßnahmen: Weitgehende Abschaffung von Barzahlungen, möglichst umfangreiche Kontrolle über alle Kontobewegungen, Prüfungs- und Meldepflichten für möglichst viele Berufe und Geschäftszweige. Die Bürger werden gesetzlich verpflichtet, sich gegenseitig zu überwachen und alle verdächtigen Aktivitäten den staatlichen „Bekämpfungs“-Stellen zu melden.

Und stellt dann klar:

Das kann man mit dem kindischen Satz abtun, wer nichts zu verbergen habe, habe ja auch nichts zu befürchten. Der Satz, den auch Kim Jong Un zu seinen Untertanen zu sagen pflegt, ist falsch, denn jede Überwachung ändert das Verhalten von Menschen und hat erheblichen Einfluss auf ihr Lebensgefühl. In einer Welt, die von Großgefahren und undurchschaubaren Verflechtungen beherrscht ist, ist Kontrolle und Prävention unvermeidbar und erforderlich. Sie wird aber von einer Voraussetzung von Sicherheit selbst zu einer Gefahr, wenn sie zum Selbstzweck wird, ohne ihre Versprechungen einlösen zu können.

Einlösen konnte allerdings noch keine der 23. vorhergehenden Änderungen der Geldwäscheregelungen das Versprechen einer Verhinderung oder zumindest Verminderung der Geldwäscher.  Man sollte sich insbesondere nicht von den „Rekordmeldungen“ von Geldwäsche-Verdachtsfällen blenden lassen (hier). Denn durch die ständige Erweiterung des Tatbestandes in den Vorjahren geraten ja zwangsläufig auch immer mehr Transaktionen in den Anwendungsbereich der Norm. Und „Verdachtsmeldung“ heißt ja auch nicht Aufklärung, wie das reihenweise und dauernde Versagen der angeblich auf die Bekämpfung der Geldwäsche spezialisierte „Financial Intelligence Unit“ des Zolls allgemein (hier), aber auch in prominenten Fällen wie Wirecard (hier) zeigt. Im Gegenteil dürfte der Gesetzgeber auf die wahrscheinlich weiter steigenden Verdachtsmeldungen mit neuen – von Herrn Fischer auch angedeuteten – drastischen Maßnahmen reagieren, bis hin zum Bargeldverbot, um sämtliche Transaktionen überwachen zu können. Und im Zweifel wird man den „kleinen Fisch“ eher jagen, als die Wirecards dieser Welt – schlicht, weil die Tat viel leichter nachzuweisen ist. Mithin steht zu erwarten, dass die strafrechtliche „Schraube“ immer weiter festgezogen wird. Und, wie sagt der Volksmund? „Nach fest kommt ab!“ Oder, um es etwas intellektueller mit Albert Einstein auszudrücken: „Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“ Aber das hat den Gesetzgeber ja noch nie interessiert.

Richtlinie (EU) 2018/1673 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 über die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche

BReg: Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche, BT-Drs. 19/24180

BMF: „Stra­te­gie ge­gen Geld­wä­sche und Ter­ro­ris­mus­fi­nan­zie­rung“ (s. auch hier)

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