Startups in der Krise

Während der öffentliche Hype um „Startups“, also (mehr oder minder) innovative Unternehmensgründungen, die eine zum Teil aggressive Wachstums-Strategie verfolgen, derzeit noch ungebrochen ist, zeigt eine aktuelle PwC-Studie auf, dass in den letzten Jahren zahlreichen sog. „Fintechs“ (also Startups, die durch Digitalisierung (zumindest angeblich) disruptive Geschäftsprozesse in die Finanzwelt einführen wollen) bereits die Luft ausgegangen ist (hier). Weniger öffentlichkeitswirksam, aber teilweise sehr bitter für die (dann ehemaligen) Gründer kann aber das böse Erwachen nach der Pleite werden. Selbst der Bundesgerichtshof hat sich (damals noch zu Fällen der „New Economy“) explizit zu den Anforderungen an Geschäftsführer von Startups in der Krise geäußert. Aus aktuellem Anlass somit nachfolgend eine kurze Darstellung der spezifischen Probleme eines Startups in der Krise:

Der Unterschied zwischen einer normalen Unternehmensgründung und der Gründung eines Startups liegt zumeist darin, dass letztere darauf zielen, möglichst schnell große Marktanteile in bestimmten Märkten zu erobern. Dazu versuchen sie, ihr jeweiliges Geschäftsmodell zu skalieren – also möglichst schnell möglichst viele Kunden zu gewinnen. Um dieses Ziel zu erreichen, wird die Profitabilität zunächst zugunsten des Wachstums hintenangestellt, mit der Folge, dass Startups planmäßig über Jahre Verluste einfahren. Um die Verluste auszugleichen, ist eine fortlaufende Finanzierung dieser Verluste durch Dritte unabdingbar. Diese Gelder müssen durch die Gründer in regelmäßigen Abständen in sog. „Finanzierungsrunden“ – zumeist bei darauf spezialisierte Fonds – eingeworben werden.

Während in der sog. „New Economy“ Anfang der 2000er Jahre derartige Finanzierungsrunden zumeist noch die erforderliche Liquidität für zwei bis drei Jahre abdeckte, reicht die eingeworbene Liquidität heute zumeist nur für zwölf Monate. Treffen diese – international üblichen – Branchen-Usancen nun auf das deutsche Insolvenzrecht, dann drohen Konflikte – die häufig zu Lasten der betroffenen Geschäftsführer ausgehen. Denn auf Grund der Finanzierungserfordernisse und -struktur von Startups ist es schon fast systemimmanent, dass sie bilanziell überschuldet sind und ihre Liquiditätsplanung von dem guten Willen Dritter abhängt. Diese Kurfristigkeit der Planung kollidiert aber fast zwangsläufig mit den Anforderungen an die sog. „Fortbestehensprognose“ des § 19 InsO, sprich die (pflichtige) Prüfung der Geschäftsführung, ob ein Insolvenzgrund vorliegt. 

Nachdem der zunächst BGH seine allgemeinen Anforderungen an die Geschäftsführung in diesem Bereich erneut klargestellt hat:

„Von  dem  organschaftlichen Vertreter wird erwartet, dass er sich über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft stets vergewissert. Hierzu gehört insbesondere die Prüfung der Überschuldung und der Zahlungsunfähigkeit. Er handelt  daher  fahrlässig,  wenn er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und die für die Insolvenzantragspflicht erforderlichen Kenntnisse verschafft.“ (Rz. 16),

verschärft er diese Anforderungen für Startups dann noch einmal, wie folgt:

„Bei  einem  Start-Up-Unternehmen wie der Schuldnerin, das in der Anlaufphase in aller Regel nur Schulden produziert und – wie hier – von Förderdarlehen abhängig ist, ist eine ständige, intensive  Prüfung  der  wirtschaftlichen  Situation  des  Unternehmens in besonderem Maße erforderlich.“ (Rz. 17; Hervorhebung durch Autor)

Sprich, um die eigene Haftung zu vermeiden, ist es für die Geschäftsleiter von Startups wichtig, die Liquiditätsplanung durchgehend im Auge zu behalten und den Gang von Finanzierungsverhandlungen so zu dokumentieren, dass auch im Nachhein abgelesen werden kann, dass der Erfolg der Runde „überwiegend wahrscheinlich“ war. Von den ebenfalls branchenüblichen Zusagen von Finanzierungen per Handschlag ist auch vor dem Hintergrund eines eigenen aktuellen Falles abzuraten. In dem Fall hatte die Geschäftsleitung des Startups zwischen Weihnachten und Neujahr mündlich eine Finanzierungsrunde mit einem Fonds abgeschlossen, die Dokumentation des Abschlusses erfolgte aber erst zu Beginn des Folgejahres. Trotz der Tatsache, dass die in dieser Runde eingeworbenen Finanzierungsrunde tatsächlich flossen und das Startup erst später scheiterte, versucht der Insolvenzverwalter die Geschäftsleiter wegen Insolvenzverschleppung in Haftung zu nehmen.

Um ein derartiges noch böseres Erwachen nach dem Scheitern des eigenen Startups zu vermeiden, sollten die obigen Ausführungen des BGH dementsprechend genau befolgt werden – auch wenn das nicht besonders cool ist.

BGH, Urt. v. 14.05.2007 – II ZR 48/06

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