„Internal Investigations“ oder die „Amerikanisierung der Strafverfolgung“

Nach meinem Grundsatzartikel zu „Wirtschaftskriminalität – Was geht mich das an?“ nehme ich den Faden wieder auf und beleuchte nachfolgend einen weiteren mit Anglizismen durchsetzten Bereich der „privaten Strafverfolgung“, nämlich den der „Internal Investigations“.

Internal Investigations – Was ist das eigentlich?

„Internal Investigations“ bedeutet nichts anderes als „(unternehmens-)interne Ermittlungen“, sprich, es handelt sich um von privater Seite angestrengte Ermittlungen zu ein Unternehmen betreffende (Wirtschaftsstraf-)Taten. In der Praxis werden dazu spezialisierte Fachleute (wie z. B. Privatdetektive, Rechtsanwälte, IT-Forensiker) zugezogen, die den fraglichen Sachverhalt aufklären und ggf. aus der Aufklärung folgende Schritte einleiten sollen. Im Gegensatz zu den staatlichen Strafverfolgungsbehörden müssen diese zivilen Ermittler von privater Seite beauftragt und bezahlt werden und genießen keine Sonderrechte. Dementsprechend wirft ihr Einsatz einige Fragen auf, die weiter unten geklärt werden.

Internal Investigations – Warum?

Die vermehrte Wahrnehmung von „Internal Investigations“ auch außerhalb der einschlägigen Fachmedien entspringt dem Trend zu einer  „Privatisierung“ oder „Amerikanisierung der Strafverfolgung“: Ursprünglich handelt es sich dabei nämlich um eine amerikanische „Erfindung“ der Securities and Exchange Commission (SEC; also der US-Börsenaufsicht)  und des Department of Justice (DoJ; also das US-Justizministerium). Wie schon im eingangs genannten Artikel geschildert, hatte sich in den USA schon früh ein eigener Wirtschaftszweig der privaten Strafverfolgung gebildet. Dies lag zu einem Teil auch daran, dass sich Firmen, die im Rahmen der Internal Investigations den Sachverhalt selbstständig aufarbeiteten und ihre Ergebnisse mit der Staatsanwaltschaft teilten, von teils horrenden Strafen und Schadenersatzforderungen zumindest zum Teil freikaufen konnten. Spätestens seit die hiesigen Staatsanawalten auch im Zug der Aufklärung des Siemens-Skandal die §§ 30, 130 OWiG „entdeckt“  haben, sind Internal Investigations auch in Deutschland ein Begriff und es begannen – im wahrsten Sinne des Wortes – amerikanische Verhältnisse Einzug in die deutschen Kriminalermittlungen zu halten. Denn im Zuge der Aufklärung dieses Skandals wurden bekannte US-Kanzleien in Kooperation mit der SEC, aber im Auftrag von Siemens, tätig. Auch im aktuellen Diesel-Skandal muss sich Volkswagen in einer ähnlichen Konstellation ebenfalls von einer US-Kanzlei durchleuchten lassen („Amerikanisierung der Strafverfolgung“). Und dies dürften zukünftig keine Einzelfälle mehr sein: Nachdem die auf eigenständige Aufklärungsbemühungen gerichtete Unterstützung der öffentlichen Strafverfolger hat bereits im vorgenannten Siemens-Fall zu einer expliziten Reduzierung des Bußgeldes geführt hat, dürfte auf Grund eines aktuellen BGH-Urteils (hier) und der Erwägungen des Gesetzgebers zur Einführung eines Unternehmensstrafrechts (hier) im Umkehrschluss gelten, dass auch nicht börsennotierte Unternehmen, welche die Aufklärung von Straftaten nicht aktiv unterstützen, mit empfindlicheren Geldbußen zu rechnen haben. Der Ersparnis bei den Geldbußen soll also eine Erparnis staatlicher Aufwendungen gegenüber stehen („Privatisierung der Strafverfolgung“).

Unabhängig von diesen aus den USA kommenden Entwicklungen zur öffentlichen Aufarbeitung von Skandalen ist wegen der chronischen Überlastung der Wirtschafts-Staatsanwaltschaften mittlerweile die Zuziehung privater Ermittler und Anwälte zum Zwecke der Aufklärung von Straftaten (sog. „Forensic Services“) und Rückholung von Vermögenswerten (sog. „Asset Tracing“ und „Asset Recovery“) im deutschen Mittelstand angekommen. Dies auch vor dem Hintergrund der hochkomplexen Materie des Wirtschaftsstrafrechts, der internationalen Verflechtung deutscher Firmen, die nicht nur sprachliche, sondern auch ermittlungstechnische Grenzen für staatliche Ermittler aufzeigen und der (deswegen) zunehmenden Komplexität der Fälle. An dieser zunehmenden Komplexität und Überlastung der Strafverfolgungsbehörden können an der Aufklärung von Straftaten interessierte Unternehmen ohne Einschaltung zusätzlicher privater Expertise scheitern. Insbesondere ist die Vorgehensweise der Strafverfolger häufig nicht darauf gerichtet, entwendete Vermögenswerte zurückzuführen (Asset Tracing & Recovery), so dass die Kompensation der geschädigten Unternehmen einer strafrechtlichen Aufklärung häufig hinterherhinkt. Auf der anderen Seite können Unternehmen, die selber Gegenstand von Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden werden, ohne Einschaltung zusätzlicher Expertise (etwa auch im Bereich der Krisenkommunikation) sowohl reputationstechnisch wie auch wirtschaftlich benachteiligt werden. Denn das unkoordinierte Vorgehen von Ermittlern kann – gerade auch bei der Beschlagnahme von für den täglichen Geschäftsbetrieb erforderlichen Dokumenten oder gar Computern – unverhofft zu einer Unternehmenskrise führen.

Internal Investigations – Rechtsfragen

Da die zivilen Ermittler quasi als Polizei und Staatsanwaltschaft in Personalunion agieren, ohne jedoch über entsprechende Befugnisse zu verfügen, kommen zahlreiche Rechtsfragen auf. Nachfolgend werden dafür stellvertretend zwei für Internal Investigations typische Rechtsfragen exemplarisch angerissen:

a) Beschlagnahmeschutz

Eine wichtige Frage betrifft den Beschlagnahmeschutz von Untersuchungsberichten aus Internal Investigations, besonders seit den umstrittenen gegenläufigen Beschlüssen des LG Hamburg in Sachen „HSH Nordbank“ und des LG Mannheim. Während das LG Hamburg ein Beschlagnahmeverbot für Ergebnisse unternehmensinterner Ermittlungen durch eine im Auftrag des Unternehmens tätige Anwaltskanzlei generell ablehnte, während das LG Mannheim auf Grund der Schaffung des § 160a StPO genau ein solches Beschlagnahmeverbot annahm. Eine abschließende Klärung durch die Obergerichte steht noch aus.

b) Arbeitsrecht

Ein weiterer Problembereich ist die Verwertbarkeit von selbstbelastenden Aussagen von Mitarbeitern in Strafprozessen gegen diese selbst, bzw. die Frage, inwieweit der Grundsatz, dass niemand verpflichtet ist, sich selbst anzuklagen (nemo tenetur) hier Geltung entfaltet. Die (strafrechtliche) Rechtsprechung steht einem Verwertungsverbot eher ablehnend gegenüber – beispielhaft seien hier nur erneut die bereits vorgenannten auch insoweit gegenläufigen Beschlüsse des LG Hamburg und des LG Mannheim genannt.

Internal Investigations – Konkret

Wer kommt nun als (professioneller) privat beauftragter „Ermittler“ in Betracht und was ist bei der Einschaltung konkret zu beachten?

Wer nun an die schlichte Beauftragung von ein paar „Schlapphüten“ denkt, also Privatdetektiven, die sich wie ihre US-Pendants in diversen Serien verhalten, der springt – auch vor dem Hintergrund der oben aufgeworfenen Rechtsfragen – zu kurz. Zum einen handelt es sich bei den hier in Frage stehenden Sachverhalten zumeist um komplizierte Wirtschaftsstraftaten, deren Aufklärung profunde Kenntnisse von wirtschaftlichen Zusammenhängen erfordert. Da als Ermittlungshandlungen neben den üblichen Buchprüfungen und Ähnlichem auch Maßnahmen wie Mitarbeiterbefragungen (respektive Verhöre) und Computerüberprüfungen in Betracht kommen, reichen zum anderen aber die Kenntnisse von Rechtsanwälten zumeist auch nicht aus. Ähnlich wie im Rahmen der öffentlichen Strafverfolgung, bei der die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen leitet und die Polizei die konkreten Ermittlungen durchführt, hat sich auch im zivilen Bereich ein Zusammenspiel von Rechtsanwälten (auch als Schnittstelle zu den Staatsanwälten „auf Augenhöhe“, etwa bei Einreichung einer Strafanzeige), privaten Ermittlern (häufig ehemaligen Polizisten) und technischen Experten als praxistauglich herausgebildet.

Ferner ist zu beachten, dass sich sich die „Denkrichtung“ eines privaten Strafverfolgers häufig diametral von der eines Strafverteidigers unterscheidet:  Während der zivile Forensiker das Wohl des Unternehmens im Blick hat und störende Eingriffe in den Geschäftsbetrieb so weit wie möglich vermeiden will, zielen die Handlungen des Strafverteidigers darauf ab, eine Verurteilung seines Mandanten (nicht des Unternehmens!) zu verhindern. Auch sind Strafverteidiger häufig „mental“ nicht auf eine Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden und auf die Aufklärung einer Straftat (geschweige denn der Rückführung von Vermögenswerten) ausgerichtet.

Aus den vorgenannten Erfolgsbedingungen wird deutlich, dass es mit der Beauftragung nur eines „einfachen“ Ermittlers / Anwalts in den meisten Fällen nicht getan sein wird. Der beauftragte Anwalt wird im Zweifel lediglich einen ausermittelten Sachverhalt zur Strafanzeige oder zur Schadenersatzklage bringen können. Für umfangreichere Ermittlungshandlungen wird er auf weitere Spezialisten zurückgreifen müssen. Vor der Beauftragung sollte deswegen genau das Ziel der Ermittlungen und die Taktik des Vorgehens festgelegt und ein dazu passendes Projektteam bestimmt werden, um eine kosteneffiziente Zielerreichung zu gewährleisten. So wird im Regelfall die Strategie bei einer auf SEC-Vorgaben beruhenden Internal Investigation anders aussehen, als bei einer eigeninitiierten Ermittlung, bei der es vorrangig um die Rückholung veruntreuter Vermögenswerte geht.

 

LG Hamburg, Beschl. v. 15.10.2010 – 608 Qs 18/10 („HSH Nordbank“)

LG Mannheim, Beschl. v. 3.7. 2012 – 24 Qs 1/12

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