Corona – abgerechnet wird zum Schluss

Während die Maßnahmen zur Bekämpfung der gesundheitlichen Folgen der Pandemie zwischenzeitlich weitestgehend ausgelaufen sind, bleiben die wirtschaftlichen Folgen weiterhin spürbar und die juristische Aufarbeitung steht noch am Anfang. Für Unternehmen, die Corona-Hilfen bezogen haben, kann das „Dicke Ende“ der Pandemie dementsprechend erst noch kommen. Denn sie müssen die obligatorische End- bzw. Schlussabrechnung bezüglich bezogener Corona-Hilfen grundsätzlich bis zum 30. Juni 2023 einreichen und sehen sich möglicherweise Rückforderungsansprüchen ausgesetzt.

Grundsätzlich sind Unternehmen verpflichtet, bezüglich bezogener Corona-Überbrückungshilfen sog. „Schlussabrechnungen“ und bezüglich gewährter Neustarthilfen sog. „Endabrechnungen“ bis zum 30. Juni 2020, bzw. (bei der Neustarthilfe) „über prüfende Dritte“ einzureichen (s. vertiefende Hinweise hier).  Zwar hat die Bundesregierung erst jüngst die Möglichkeit eingeräumt, „im Einzelfall eine Fristverlängerung bis 31.12.2023“ zu beantragen (s. dazu erneut hier) und damit die ursprünglich für den 31. März 2023 festgelegte Abgabefrist noch einmal verlängert. Selbst wenn – im Einzelfall – also eine weitere Fristverlängerung möglich sein sollte, gilt „aufgeschoben ist nicht aufgehoben“, gerade wenn eine Rückzahlung drohen könnte.

Zudem deutet sich bereits an, dass End- und Schlussabrechnungen sowie die daraus ggf. resultierende Geltendmachung von Rückzahlungsansprüchen durch die öffentliche Hand für eine Prozesswelle sorgen könnte. Neben zahlreichen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen Betrugsverdacht im Zusammenhang mit dem Bezug von Corona-Hilfen (hier), sollen nach Medien-Berichten bereits jetzt alleine in NRW 2.500 Verfahren gegen Rückforderungsbescheide anhängig sein (hier); diese Zahl dürfte nach Ablauf der vorgenannten Fristen absehbar steigen. Folglich könnte in streitigen Fällen einige Zeit verstreichen, bis die Frage der Rückzahlbarkeit von Corona-Hilfen für das jeweilige Unternehmen rechtssicher geklärt ist.

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat kürzlich eine der ersten obergerichtlichen Entscheidungen zur Rückforderung von Corona-Soforthilfen veröffentlicht, die die Position der betroffenen Unternehmen stärkt. So entschied das Gericht, dass im Falle von Klagen dreier Selbstständiger (freiberuflicher Steuerberater, Inhaberin eines Kosmetikstudios sowie Betreiber eines Schnellrestaurants) die erfolgten (Teil-)Rückforderungen von Corona-Soforthilfen rechtswidrig und die Rückforderungsbescheide deshalb aufzuheben seien. Das OVG argumentiert, dass das Land die Vorgaben der Bewilligungsbescheide nicht beachtet habe, die für die endgültige Festsetzung bindend seien. Das erst nachträglich vom Land geforderte Rückmeldeverfahren finde in den Bewilligungsbescheiden keine Grundlage. Zudem seien die Schlussbescheide rechtswidrig, weil sie ohne eine hierfür erforderliche Rechtsgrundlage vollständig durch automatische Einrichtungen erlassen worden seien. Das Land bleibe allerdings berechtigt, die den Empfängern letztlich zustehende Soforthilfe in Form von neu zu erlassenden „Schlussbescheiden“ endgültig festzusetzen und die überzahlten Beträge – unter Beachtung der vom Gericht aufgestellten Grundsätze – zurückzufordern. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, zudem betrifft sie nur ein Bundesland sowie die den Regelungen zur Abgabe der End- und Schlussabrechnungen gar nicht unterfallende Corona-Soforthilfe. Insofern ist also bei einer Verallgemeinerung dieser Entscheidung Vorsicht geboten.

Weiter verkompliziert wird die Rechtslage durch die Rechtsprechung des BGH. Das Gericht legte nämlich in einer im Rahmen seiner „Zeitenwende“ (s. dazu näher hier) ergangenen Entscheidungen fest, dass eine den positiven Sanierungsaussichten entgegenstehende, nicht letztinstanzliche (!), Rechtsprechung zum endgültigen Scheitern eines Sanierungsversuchs führe (s. näher dazu hier). Übersetzt auf die vorliegende Konstellation der Corona-Hilfen bedeutet dies, dass Unternehmen, die im Falle einer rechtskräftigen Rückforderung von Corona-Hilfen in Existenznot kommen könnten, je nach Entwicklung der Rechtsprechung nicht bis zu einer letztinstanzlichen Entscheidung der entsprechenden Frage warten dürfen, sondern ggf. schon zuvor den Gang in die Restrukturierung nach StaRUG (s. dazu hier) oder in die Insolvenz gehen müssen. Dementsprechend sollten Unternehmen ein waches Auge auf die künftigen Entwicklungen der Rechtsprechung zu diesem Thema haben.

OVG Münster, Urt. v. 17.03.2023 – 4 A 1986/22

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