Reform des § 104 InsO (Netting-Vereinbarungen)

Nachdem der VII. Senat des BGH mit seiner Entscheidung aus dem Mai 2016 (s. Kommentierung dazu hier), bestimmte Lösungsklauseln im Falle der Insolvenz für wirksam zu erklären, eines der Grundprinzipien des Insolvenzrechts, nämlich den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung, abgeschwächt hatte, könnte der Bundestag – zumindest auf den ersten Blick – mit einer Reform diesen Grundsatz weiter zu verwässern.

Das Gesetz zur Neu-Regelung des § 104 InsO wurde im Eilverfahren am 1. Dezember 2016 durch den Bundestag verabschiedet und trat am 29. Dezember 2016 in Kraft. Der Gesetzgeber reagierte damit sehr schnell auf ein Urteil des IX. Senats des BGH aus dem Juni 2016, in dem dieser eine Umgehung der damaligen Formulierung des § 104 InsO als Verstoß gegen § 119 InsO gewertet und damit für ungültig erklärt hatte.

Die Neu-Regelung des § 104 InsO soll die Reichweite der Regelungen genauer definieren und es Banken erlauben, bestimmte Regelungen (sog. Liquidationsnetting („close-out netting“)) trotz der Regelung des § 119 InsO, in ihre Standard-Vertragsregelungen aufzunehmen (und entsprechend durchzusetzen). Diese Regelungen entsprechen internationalen Standards, weswegen das vorgenannte Urteil des BGH auch für einige Verunsicherungen in Finanzkreisen gesorgt hatte.

Die Meinungen über die Wirkung dieser Reform gehen allerdings weit auseinander: Während sich der Verband der Insolvenzverwalter in Deutschland (VID) in einer diesbezüglichen Stellungnahme relativ harsch äußert, stimmt der Deutsche Anwaltverein (DAV) in einer eher ausgewogenen Stellungnahme der Regelung im Großen und Ganzen zu.

Der konkrete Anwendungsbereich der Reform betrifft zunächst nur bestimmte Nettingvereinbarungen, zumeist zwischen Finanzinstituten. Die Praxis wird – worauf der DAV auch hinweist – zeigen, ob sich nicht andere Branchen, wie etwa Energieversorger, sich diese Rechtsprechung zu Nutze machen und versuchen werden, ihrerseits eine – dem Grundgedanken von § 119 InsO möglicherweise widersprechende – Lösungsmöglichkeit vor oder bei Insolvenz des Vertragspartners durchzusetzen. Entgegen der Pressemitteilung des VID dürfte die gegenüber den 80’er Jahren weiter gesunkene Insolvenzquote allerdings wohl noch nicht auf das jetzt verabschiedete Gesetz zurückzuführen sein.

BT-Drucksache – 18/9983
BGH, Urt. v. 9.6.2016 – IX ZR 314/14

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