Rangrücktritt durch AGB?

Aktuelle Rechtsprechung zum Nachrang von Forderungen

Ein relativ aktuelles Urteil des LG Düsseldorf im Rahmen der Aufarbeitung der Kriminalinsolvenz des Dresdner Finanzdienstleisters Future Business (Infinus) gibt Gelegenheit, die kontinuierlich evolvierende Rechtslage zu (überschuldungsbeseitigenden) Rangrücktritten zusammenfassend zu beleuchten.

Praktische Relevanz der Thematik

Zunächst ist die Frage, inwieweit der Nachrang einer Forderung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen wirksam vereinbart werden kann, nicht nur akademischer Natur. Denn Unternehmensanleihen, Schuldscheindarlehen oder auch Genussrechte stehen bei Anlegern derzeit hoch im Kurs. In der Praxis werden derartige Verträge häufig mit Nachrangabreden versehen, um die entsprechenden „Verbindlichkeiten“ als „eigenkapitalähnliche Position“ ausweisen zu können. Gerade bei wachstumsorientierten Unternehmen, die einen hohen Kapital- und Liquiditätsbedarf aufweisen, kann auf diesem Wege nämlich zum einen auch eine (weitere) Bankfinanzierung „dargestellt“ und eine etwaige Insolvenzantragspflicht auf Grund „Verbrauchs“ der Anlegergelder verhindert werden.

Denn selbst unter dem im Zuge der letzten Finanzkrise wieder eingeführten sog. „zweistufigen Überschuldungsbegriff“  zur Feststellung einer Überschuldung im Sinne des § 19 Abs. 2 InsO  spielen Rangrücktrittsvereinbarungen weiterhin eine große Rolle. Neben den mit einem (wirksamen) Rangrücktritt verbundenen bilanziellen Folgen können sie – so eine (unten näher behandelte) sog. „vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre“ mit dem Rangrücktritt verbunden wird –  auch die (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens verhindern. Dies wirkt sich somit auch auf die im Rahmen der Überschuldungsprüfung nunmehr zu erstellende Fortbestehensprognose aus.

Die nachfolgend besprochenen Entscheidungen des LG Düsseldorf und des BGH sind schließlich auch deswegen interessant, weil ihnen Insolvenzanfechtungsprozesse zu Grunde lagen. An dem unterschiedlichen Ausgang der Verfahren wird deutlich, welche Folgen (fehlerhafte) Rangrücktrittserklärungen in der Insolvenz haben können.

Vereinbarung des Nachrangs durch AGB?

Der Bundesgerichtshof hatte zwar in einem Urteil aus dem Jahre 2014 die Wirksamkeit eines formularmäßig formulierten Rangrücktritts bejaht, allerdings sind die tragenden Entscheidungsgründe dazu wohl nicht verallgemeinerungsfähig. Im benannten Grundsatz-Urteil aus dem Jahre 2015 hat der BGH dann diese Frage offen gelassen.

Das LG Hamburg hatte zuvor bereits in einer Entscheidung aus dem Jahre 2013 die Einbeziehung eines Rangrücktritts durch AGB zumindest bei Versicherungsverträgen als Verstoß gegen Treu und Glauben abgelehnt. Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind allgemeine Geschäftsbedingungen, die den Verwendungsgegner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen, unwirksam. Im vorliegenden Fall soll der formularmäßig formulierte Nachrang den Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligen, so das Gericht, da er dem Versicherer erlaube, eigentlich erlaubnispflichtige Einlagengeschäfte anzubieten. Zudem nehme der Rangrücktritt dem Versicherer in der Krise den Zahlungsdruck und könne unter Umständen den Eintritt der Überschuldung insgesamt verhindern. Demgegenüber sei das Verlustrisiko der Versicherungsnehmer erheblich höher als dasjenige normaler Gläubiger, weil sie schon im Falle der Krise vor Eintritt einer etwaigen Überschuldung hinter sonstigen Gläubigern zurücktreten müssten. Im Ergebnis seien sie dadurch mit Gesellschaftern gleichgestellt, für die das Institut des qualifizierten Rangrücktritts üblicherweise vorgesehen ist. Sie würden sich aber ganz erheblich von Gesellschaftern unterscheiden, auch was ihre Rechte und Pflichten und Informationsmöglichkeiten betrifft. Dem Gesellschafter sei regelmäßig bewusst, dass es sich bei seiner Beteiligung um ein echtes unternehmerisches Engagement mit entsprechendem unternehmerischen Risiko handelt, weswegen hier die formularmäßige Vereinbarung eines Rangrücktrittsvereinbarung für zulässig erachtet würde. Auf den Abschluss einer Versicherung seien die dahinter stehenden Überlegungen aber nicht übertragbar. Das LG Hamburg ließ ausdrücklich offen, ob die Nachrangklausel auch als überraschend im Sinne von § 305 c BGB anzusehen oder gar sittenwidrig sei.

Das LG Düsseldorf hat nun in seinem  Urteil aus dem März diesen Jahres entschieden, dass ein formularmäßiger Rangrücktritt bei Darlehensverträgen, der sich widersprechende Regelungen bezüglich der Rangtiefe enthält, gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoße und damit unwirksam sei. In dem entschiedenen Fall führte die Auslegung von zwei den Rangrücktritt betreffenden Klauseln zu unterschiedlichen Ergebnissen, weswegen das Gericht davon ausging, dass der Vertragspartner die ihm gegenüber anderen Gläubigern zustehenden Rechte nicht ohne weiteres erkennen konnte.

Insgesamt ist damit die Frage also noch nicht abschließend gerichtlich geklärt, inwieweit Rangrücktritte gerade bei Finanzierungsverträgen formularmäßig vereinbart werden können. Dementsprechend vorsichtig sollten Unternehmen, die „alternative“ Finanzierungen auflegen, weiterhin bei der Einbeziehung von Rangrücktritten in AGB agieren.

Allgemein zur Formulierung eines Rangrücktritts

Unabhängig von der Frage der Zulässigkeit von Nachrangabreden in Allgemeinen Geschäftsbedingungen stellt sich angesichts der vorangehenden Urteile die Frage der recht- und zweckmäßigen Formulierung auch eines individidualvertraglich vereinbarten Rangrücktrittes. Insoweit hat der BGH in seinem Urteil aus dem Jahre 2015 der Praxis umfassende Formulierungshilfen an die Hand gegeben. Insbesondere stellte der BGH die erforderliche Reichweite, bzw. „Rangtiefe“ eines (dann „qualifizierten“) Rangrücktritts klar. Dementsprechend ist die Vereinbarung eines Nachrangs lediglich für den Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (wie ihn die Formulierung des § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO („im Insolvenzverfahren“) nahe legt) nicht ausreichend, um eine Passivierungspflicht der entsprechenden Forderung im Überschuldungsstatus zu vermeiden. Vielmehr sei hierfür eine Formulierung erforderlich, die einen Rangrücktritt auch auf den Zeitraum vor Insolvenzeröffnung vorsehe. Dementsprechend müsse der Rangrückritt auch eine vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre enthalten. Weiterhin hat der BGH klargestellt, dass zwar ein Rücktritt in den Rang des § 199 InsO genau so wenig erforderderlich sei, wie ein Forderungsverzicht. Ausreichend, aber auch erforderlich sei ein Rücktritt hinter die in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO genannten Forderungen. Demgegenüber reiche ein Rangrücktritt hinter einzelne Gläubiger genau so wenig aus, wie ein zeitlich begrenzter Rangrücktritt.

Schließlich hat der BGH in der Diskussion über die dogmatische Grundlage eines Rangrücktritts eine für die Praxis handhabbare Position bezogen und erklärt, dass es sich bei einem Rangrücktritt um einen verfügenden Schuldänderungsvertrag zugunsten Dritter handele. Diese Entscheidung ist praktisch relevant, weil damit zum einen hierdurch die Forderung in ihrem Rang, nicht aber in ihrem Bestand geändert wird (was steuerlich wichtig wird, s. unten). Zum anderen kann auf Grund der Drittwirkung der Rangrücktritt nur noch beschränkt ohne Zustimmung anderer Gläubiger geändert werden. Dies bedeutet, dass eine einvernehmliche Aufhebung der Rangrücktrittserklärung zwischen dem Schuldner und dem betroffenen Gläubiger ohne Mitwirkung der übrigen Gläubiger nur dann möglich ist, wenn eine Insolvenzreife des Schuldners nicht (mehr) vorliegt.

Steuerliche Aspekte

Nicht auseinandergesetzt hat sich der BGH mit den steuerlichen Folgen des Rangrücktritts. Insoweit ist auf ein relativ aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) aus dem Jahre 2015 zu verweisen, wonach eine Formulierung des Rangrücktritts, nach der die nachrangige Forderung im Endeffekt „nur aus künftigen Jahresüberschüssen, soweit sie bestehende Verlustvorträge übersteigen, oder aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss“ zu befriedigen sei, nicht ausreiche, da es an der erforderlichen „gegenwärtigen wirtschaftliche Belastung“ des Schuldner fehle. In einem solchen Fall greift das steuerliche Passivierungsverbot mit der Konsequenz eines zu versteuernden Buchgewinns. Demgegenüber soll die erforderliche „gegenwärtigen wirtschaftliche“ Belastung nach § 5 Abs. 2a EStG nach BFH (und auch dem Bundesministerium der Finanzen, BMF) dann vorliegen, wenn die Verbindlichkeiten auch aus „jeglichem freien Vermögen“ des Schuldners zu bedienen sind. Dann sei eine steuerpflichtige Passivierung der Verbindlichkeit nicht vorzunehmen.

Zusammenfassung

In der Sache entschied der BGH, das bei Vorliegen eines qualifizierten Rangrücktrittes nach den vorbezeichneten Kriterien eine gleichwohl an den entsprechenden Gläubiger erfolgte Rückzahlung sowohl als Zahlung ohne Rechtsgrund nach allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften kondiziert, als auch als unentgeltliche Leistung nach § 134 InsO angefochten werden könne. Diesem Ansatz konsequent folgend entschied das LG Düsseldorf, dass in dem ihm vorliegenden Sachverhalt eine Rückzahlung weder kondizier- noch anfechtbar sei, da es eben an einem qualifizierten Rangrücktritt fehle.

Abschließend ist insbesondere die Grundsatz-Entscheidung des BGH positiv hervorzueben, gibt sie doch die lange erwarteten praxistauglichen Handreichungen für die Formulierung und Anwendung zumindest von invididualvertraglichen Rangrücktritten – die in der Sanierung üblicherweise vereinbart werden. Demgegenüber bleibt die Frage nach der Verwendbarkeit von Rangrücktrittserklärungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen noch ungeklärt.

BGH, Urt. v. 20.02.2014 – IX ZR 137/13

BGH, Urt. v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14

BFH, Urt. v. 15.04.2015 – I R 44/14

BMF, Schreiben v. 8.9.2006 – IV B 2 – S 2133 – 10/06

LG DüsseldorfUrt. v. 24.3.2017 – 10 O 308/15

LG Hamburg, Urt. v. 16.01.2013 – 332 O 72/12

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