EU: Präventiver Restrukturierungsrahmen – let the show begin

Knapp zwei Jahre nachdem die EU-Kommission eher überraschend den Entwurf einer Richtlinie über „einen präventiven Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren“ präsentierte (s. näher dazu hier), hat der Rat der Europäischen Union im Oktober 2018 seine Verhandlungsposition in Form einer „Allgemeinen Ausrichtung“ („General Approach“) festgelegt und damit den Weg für den sog. „Trilog“ zwischen Kommission, Rat und Parlament frei gemacht. Dabei sieht der Kompromissvorschlag des Rates zwar eine Vrpflichtung für alle Mitgliedsstaaten vor, einen „präventiven Restrukturierungsrahmen einzuführen. Die konkrete Ausgestaltung des Verfahrens soll dagegen weitgehend den Mitgliedsstaaten überlassen bleiben.

So soll z.B. den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit eingeräumt werden, als Eröffnungsvoraussetzung eine Rentabilitätsprüfung einzuführen (Präambel, Ziff. 17a, Art. 4 (1a)) und auch Gläubigern das Recht zur Antragstellung zu gewähren (Art. 4 (4)). Während die ursprüngliche Fassung des Entwurfs der Kommission den eigenverwaltenden Schuldner als Regelfall ansah und nur in Ausnahmefällen überhaupt die Einsetzung eines „Restrukturierungsspezialisten“ zur Überwachung vorsah, sieht der Kompromissvorschlag nun vor, dass Mitgliedsstaaten die Einsetzung eines „Restrukturierungsspezialisten“ verpflichtend, z. B. im Falle eines Moratoriums, vorsehen können (vgl. Präambel Ziff. 18a, Art. 5 (2)).

Der Kompromissvorschlag sieht ein Moratorium mit einer Maximalfrist von vier Monaten vor, die unter bestimmen Umständen auf bis zu zwölf Monate verlängert werden kann (vgl. Präambel Ziff. 19b, Art. 6, 7; mit einer Vielzahl von zusätzlichen Fristen, Ausnahmen und Rückausnahmen, die schon jetzt auf eine gewisse potentielle Überkomplexität des Verfahrens hindeuten).

Die von der Restrukturierung betroffenen Stakeholder sollen grundsätzlich über den Restrukturierungsplan (Art. 8) abstimmen können, wobei bestimmte Stakeholder, wie etwa Gesellschafter, von der Abstimmung nach dem nationalen Recht ausgeschlossen werden können. Für die Zwecke der Abstimmung sollen die Gläubiger (mit Ausnahmemöglichkeiten für KMU) in Gruppen eingeteilt werden (vgl Art. 8 1 d)). Mit Hilfe extensiver Cram-Down-Regelungen, bis hin zu einem gruppenübergreifenden cram-down, soll die Zustimmung zum Restrukturierungsplan selbst bei nur relativen Mehrheiten erreicht werden (s. näher Art. 9, 10, 11). Hierzu sollen dann aber gerichtliche Entscheidungen und bestimmte fairness-tests erforderlich sein (Art. 11).

Sollte sich die nunmehr verfolgte Linie des Rates, eher Spielräume für zusätzliche Verfahrensmöglichkeiten zu eröffnen, denn eine Harmonisierung der Restrukturierungs- und Insolvenzsysteme anzustreben, im Rahmen des Trilogs durchsetzen, dürfte der tatsächliche Anpassungsbedarf in vielen Mitgliedsstaaten eher gering ausfallen, während in Deutschland die Neu-Schaffung eines vorinsolvenzlichen Verfahrens erforderlich wird. Aus den üblichen „gut informierten Kreisen“ ist zu hören, dass das BMJV bereits an konkreten Vorschlägen arbeitet, obwohl die Richtlinie erst innerhalb von zwei Jahren nach Beschlussfassung in nationales Recht umgesetzt werden muss. Insoweit scheint die Bundesregierung den „Wettlauf der der Restrukturierungsrechte im Binnenmarkt“ durchaus aufnehmen zu wollen. Bleibt zu hoffen, dass die Bundesregierung nicht nur schneller als vorgeschrieben ein vorinsolvenzliches Restrukturierungsrecht schafft, sondern auch Erkenntnisse aus der ESUG-Evaluation (s. dazu näher hier) und  aus den parallel laufenden akademischen Projekten „CoDiRe“ und „Business Rescue in Insolvency“ darin einfließen lässt.

Nachdem die Tendenz der Kommission eher in Richtung eines europäischen „Scheme of Arrangement“ fernab der Insolvenz zeigte, deutet der Kompromissvorschlag nun eher wieder in Richtung eines zusätzlichen Insolvenzverfahrens, was schon an der Benennung der vormals als „practitioner in the field of restructuring“ bezeichneten „Insolvenzverwalters“ zumindest in der Präambel deutlich wird (Im Text wird weiterhin von „practitioner in the field of restructuring“ gesprochen). Sollte das Verfahren in Deutschland zudem noch beim Insolvenzgericht „angedockt“ werden, besteht die Gefahr, dass die betroffenen Gläubiger und Schuldner dieses Verfahren lediglich als ein weiteres Insolvenzverfahren ansehen. Dann dürfte der praktische Anwendungsbereich in der Praxis nicht weit über den des Eigenverwaltungs- und Schutzschirmverfahrens hinausgehen. Nach dem Brexit wird sich dann die Frage stellen, ob ein anderes europäisches Rechtssystem dann – gerade auch für deutsche Unternehmen – den frei gewordenen Platz für außerinsolvenzliche Restrukturierungen einnehmen kann. Mein persönlicher Tipp geht da in Richtung Holland…

Schon angesichts des nahenden Endes der Legislaturperiode im April 2019 ist von einem zeitnahen Beginn der Trilog-Verhandlungen auszugehen. Mit Ergebnissen wird dementsprechend im März 2019 gerechnet.

 

Council of the European Union, General Approach, Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council on preventive restructuring frameworks, second chance and measures to increase the efficiency of restructuring, insolvency and discharge procedures and amending Directive 2012/30/EU, 24 September 2018, 12334/18

Research Project on „Contractualised Distress Resolution“ („CoDiRe“)
Final Report
Final Conference (Streaming)

European Law Institute: Business Rescue in Insolvency

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